Die Schilddrüse als Sündenbock
Überflüssige Einnahme von Schilddrüsenhormonen?
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Was genau ist die Schilddrüse?
Die Schilddrüse ist ein hormonproduzierendes Organ im vorderen Halsbereich. Sie ist ca. daumengroß und wiegt 20 – 25g. Als Hormondrüse ist die Schilddrüse neben anderen Organen an der Regulation einer Vielzahl unterschiedlichster Stoffwechselprozesse beteiligt. Aufgrund ihrer vielfältigen Wirkung auf unterschiedliche Körperfunktionen wird sie von Medien, Ärzten und Patienten allzu gern zur Erklärung diverser Krankheitssymptome herangezogen. Vor allem unspezifische Symptome wie Übergewicht, Müdigkeit, Kälteempfindlichkeit, Antriebslosigkeit oder unerfüllter Kinderwunsch werden immer wieder gerne mit einer Fehlfunktion der Schilddrüse in Zusammenhang gebracht.
Die Schilddrüse als Sündenbock
Leider werden die Schilddrüse und deren Blutwerte immer wieder missverstanden oder fehlinterpretiert. In solchen Fällen wird die Schilddrüse zu Unrecht als Sündenbock dargestellt und die eigentlichen Ursachen der Beschwerden gerne übersehen. Die Mitwirkung eines Organs an einem Funktionskreis bedeutet keineswegs, dass Störungen innerhalb dieses Regelkreises automatisch auch auf das Organ zurückzuführen sind. Viel häufiger sind es anderweitige Faktoren, die den Regelkreis und damit einhergehend auch die Funktionsfähigkeit der Schilddrüse beeinträchtigen.
Die Schilddrüse – oftmals der bequemste Weg für Arzt und Patient?
Gerade bei unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit oder Gewichtszunahme, denen eine Vielzahl möglicher Einflussfaktoren zu Grunde liegen können, erfolgt häufig die Abklärung der Schilddrüse. Grund dafür sind zum einen die mediale Präsenz der Schilddrüse in Bezug auf zuvor genannte Symptome, als auch die damit einhergehende Hoffnung von Ärzten und Patienten, auf möglichst bequeme Weise einen Schuldigen ausfindig machen zu können.
Die Verschreibung und Einnahme von Medikamenten gehören zweifelsfrei zu einem der bequemsten Wege, um Einfluss auf unerwünschte Zustände zu nehmen. Dabei wird gerne übersehen, dass ein solcher Weg den Gesundheitszustand des Patienten nicht zwangsläufig verbessert, sondern vorwiegend die mit der Erkrankung einhergehenden Symptome (Warnsignale) lediglich kompensiert werden.
Fehldiagnosen durch unsaubere Diagnostik?
Bei der Abklärung der Schilddrüse und damit assoziierten Beschwerden führen oberflächliche Vorgehensweisen zu teilweise fragwürdigen Diagnosen. So werden unter anderem in der Regel tageszeitliche, zyklusabhängige oder individuelle Faktoren beim Zeitpunkt der Blutabnahme nicht berücksichtigt. Die Schilddrüse unterliegt, wie jedes hormonproduzierende Organ, sowohl einem tageszeitlichen Rhythmus (circadianer Rhythmus) als auch individueller, bedarfsabhängiger Anpassungen.
Die Folge davon ist, dass einmal erhobene, den Normbereich überschreitende Werte, häufig nicht in Frage gestellt und zu einem späteren Zeitpunkt erneut kontrolliert werden. Stattdessen werden, nicht zuletzt aufgrund des Zeitdrucks vieler Ärzte, einmal erhobene Werte gerne zur Stellung voreiliger Diagnosen verwendet und gleichzeitig in vielen Fällen auf eine weitere Abklärung (z.B. mittels Ultraschalles) verzichtet. So kommt es, dass einmalige Laborausreißer zu falschen Interpretationen, voreiligen Diagnosen und fragwürdiger lebenslanger Medikamenteneinnahme führen können.[siehe Studie zum tageszeitlichen Rhythmus der Schilddrüse von Russell 2008 Free triiodothyronine has a distinct circadian rhythm that is delayed but parallels thyrotropin levels. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism June 1, 2008]
Frauenheilkunde – teils fragwürdige Verordnung von Schilddrüsenhormonen
Vor allem in der Frauenheilkunde und beim Thema Kinderwunsch wird seit einigen Jahren der Normbereich für den Schilddrüsenwert sehr eng gehalten. Da die Schilddrüse an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt ist, wird sie auch hier allzu gern als Mitschuldige eines unerfüllten Kinderwunschs oder anderer gynäkologischer Beschwerden herangezogen.
Die Frage, wieso Frauen mit unbehandelten Schilddrüsenerkrankungen trotzdem mehrfach erfolgreich schwanger wurden, scheint nicht thematisiert zu werden. Darüber hinaus fällt auf, dass sowohl Patientinnen als auch Ärzte nach Beendigung des Kinderwunschs immer wieder vergessen, die nur zu diesem Zweck angesetzte Schilddrüsenmedikation wieder abzusetzen.
Fazit
Um Fehldiagnosen und überflüssige Hormoneinnahmen zu vermeiden, ist eine gründliche, auf Ursachen ausgerichtete Behandlung empfehlenswert.